September 2005: Explosion in Höxter

Der Morgen des 19. Septembers begann in der Kleinstadt Höxter wie jeder andere Tag. Die ersten Geschäfte in der Innenstadt öffneten ihre Pforten gegen 09.15 Uhr, einige wenige Kunden warteten bereits vor den Geschäften darauf, eingelassen zu werden. Der Rettungsdienst der Stadt Höxter befand sich gerade am Höxteraner Bahnhof bei einem routinemäßigen Notfall, als es plötzlich um 09.16 Uhr einen fürchterlich lauten Knall gibt. Als sich die Rettungsassistenten in die Richtung des Knalls umdrehten, sahen sie plötzlich ein Balkongitter durch die Luft fliegen. Um zu sehen, was passiert war, liefen sie in Richtung Rauchsäule. Keine 100 Meter weiter hatte es eine schwere Explosion gegeben. Auf dem Weg dorthin kamen ihnen schon Verletzte schreiend entgegengelaufen, andere standen in den scheibenlosen Fenstern der Häuser.

Die meisten der über 40 verletzten Personen hatten Schnittwunden oder zusätzlich einen Schock. Viele von ihnen suchten notgedrungen die nahegelegenen Arztpraxen auf. Die Rettungsassistenten setzten sofort einen Notruf über Funk ab und fuhren mit der Notfall-Patientin und einer durch die Explosion verletzten an Bord genommenen Person alarmmäßig ins nächste Krankenhaus. Stadtbrandinspektor Stefan Dickel war gerade in der etwa 10 Kilometer entfernten Nachbarstadt Holzminden bei der Arbeit, als auch er einen entfernten dumpfen Knall hört. Nach der Alarmierung „Brand 3“ durch die Kreisleitstelle in Brakel setzte er sich sofort in Marsch, um die Einsatzleitung zu übernehmen. Ein weiterer Rettungswagen, zwei Krankentransportwagen und das LF 24 des Löschzuges Höxter-Kernstadt rückten nach ihrer Besetzung ebenfalls zügig aus. Kurz danach fuhren das TLF 16/25 und die Drehleiter raus. Am Unglücksort bot sich den Rettern ein Bild der Verwüstung, es sah aus wie auf den Bildern vom 11. September 2001 in New York. Wo einmal ein Haus stand, war nur noch ein brennender Trümmerhaufen zu finden. Während einige Feuerwehrleute die in Mitleidenschaft gezogenen Nachbarhäuser nach Verletzten durchsuchten, nahmen andere die Brandbekämpfung auf, damit das Feuer sich nicht weiter auf die angrenzenden Häuser ausdehnen konnte. Dies geschah von zwei Seiten aus mit zwei C-, einem B-, zwei Wenderohren sowie einem Wasserwerfer. Die Druckwelle war so gewaltig, dass sie zahlreiche Fensterscheiben in der Innenstadt zerstörte.

35 Häuser in einem Umkreis von mehr als 200 Metern wurden zum Teil stark beschädigt. Sehr stark in Mitleidenschaft gezogen wurden die beiden angrenzenden Häuser, das Küsterhaus, in dem sich das Standesamt der Stadt befindet, eine alte Fachwerkzeile, in der auch eine Lokalzeitung sowie das Studio eines Radiosenders untergebracht sind sowie das in unmittelbarer Nähe befindliche Historische Rathaus. Zum Zeitpunkt der Explosion fuhren gerade einige Autos am Unglücksort vorbei. Sie wurden von Trümmerteilen getroffen und schwer beschädigt. Das neben dem Unglückshaus befindliche Wohn- und Geschäftsgebäude drohte sogar einzustürzen. Die Feuerwehr Höxter hatte während der heißen Phase mit etwa 150 Feuerwehrleuten von den fünf Löschzügen des Stadtgebietes im Einsatz. Weiterhin waren vier Rettungshubschrauber, ein Hubschrauber der Polizei, die Bundeswehr (auch mit Hubschrauber), die umliegenden Rettungsdienste der Kreise Höxter und Holzminden, das THW Höxter und Warburg, die Feuerwehren aus Holzminden, Boffzen und Steinheim mit Sonderfahrzeugen, die Schnelleinsatzgruppen aus Höxter, Beverungen, Brakel und Warburg, die Rettungshundestaffel der Johanniter Holzminden und Hannover, die BF Dortmund mit einem Endoskopiegerät, Einsatzhundertschaften der Polizei aus Bielefeld und Bochum, das Landeskriminalamt sowie zahlreiche Unternehmen im Einsatz. Die Einsatzleitung wurde über den ELW 2, der sich in der abgesperrten Fußgängerzone befand, abgewickelt. Obwohl niemand mehr an Überlebende unter den Trümmerteilen glauben konnte, suchten die Einsatzkräfte mit Verstärkung von zwei Rettungshundestaffeln den Unglücksort ab. Zwei Fußgänger hatten keine Chance, Feuerwehrleute konnten sie nur noch tot bergen. Dabei handelte es sich um eine 81-jährige Frau und einen 79-jährigen Mann, die sich zur Zeit der Explosion direkt vor dem vernichteten Haus befanden. Nach rund 12 Stunden rückte der Löschzug Höxter wieder vom Einsatzort ab Richtung Standort, die Brandwache übernahmen anschließend die Löschgruppen aus Lüchtringen und Stahle.

Das THW leuchtete die Einsatzstelle während der gesamten Nacht aus. Damit die Einsatzkräfte die Nacht über mit Essen und Getränken versorgt waren, schob die Schnelleinsatzgruppe des DRK aus Höxter abwechselnd Schichtdienst. Die nachfolgenden Tage mussten die Feuerwehrleute aus Höxter Nachlöscharbeiten durchführen sowie die Polizei bei ihrer Arbeit unterstützen. Zur Ursache der Explosion teilte der ermittelnde Staatsanwalt mit, dass unmittelbar vor dem Unglück eine Nachbarin die Polizei davon in Kenntnis setzte, dass der einzige Bewohner sein Haus mit Benzin begieße. Laut Nachrichten- und Hörfunksender tauchte ein Bekennerschreiben auf, in dem der Verursacher die Explosion wegen Erbstreitigkeiten gerechtfertigt habe. Er habe demnach den Gashahn aufgedreht und 900 Liter Benzin Haus verteilt, bevor er das Feuer gezündet hat. Es ist die größte Schadenslage, die Höxter seit dem 2. Weltkrieg heimgesucht hat. Die Folgen zweier Gasexplosionen aus den Jahren 1967 und 1979 waren auch sehr schwer, sind mit dem jetzigen Unglück aber nicht zu vergleichen.

Fotos: Harald Iding, Neue Westfälische, Michael Rohn, Thomas Kube

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